Samstag, 27. Dezember 2008

Kästner's Fabian

Seit ca. zwei Jahren schleiche an diesem Buch vorbei mit dem festen Ziel es in Zukunft mal zu lesen. Diese Zukunft begann heute als ich mir das Buch in Cottbus für meine Fahrt nach Magdeburg zulegte (und ich am Dienstag den Roman "Felix Krull" von Thomas Mann, welchen ich für weniger lesenswert halte, beendete). Warum mich dieses Buch begeistert möchte ich mit einigen Auszügen belegen (es handelt übrigens im Deutschland von ca. 1930).

"Und heute sind, noch ehe sie sich regenerieren konnten, bereits neue, genauer, sehr alte Mächte fanatisch dabei, wiederum standardisierte Meinungen - gar nicht so verschieden von den vorherigen - durch Massenimpfung zu verbreiten. Noch wissen viele nicht, viele nicht mehr, daß man sich Urteile selber bilden kann und sollte." aus dem Vorwort zur Neuauflage des Buches im Jahre 1950

In der politischen Redaktion einer Zeitung:
">>Der Chef hat eben angerufen<<, erzählte der junge Mann atemlos. >>Ich mußte im Leitartikel fünf Zeilen streiche. Sie wären durch neue Nachrichten überholt [...]".
">>Was tut man in einem so außergewöhnlichen Fall?<< fragte Münzer.
>>Man füllt die Spalte<<, erklärte der Volontär.
Münzer nickte."
Nachdem sich keine passende Ersatznachricht finden lässt kommt es im Endeffekt zu folgender Reaktion des Redakteurs (Münzer): "Wenn man eine Notiz braucht und keine hat, erfindet man sie.[...] Merken Sie sich folgendes: Meldungen, deren Unwahrheit nicht oder erst nach Wochen festgestellt werden kann, sind wahr." aus dem Dritten Kapitel (in meinem Buch Seite 29).

Aktuell brisant finde ich auch folgendes: "Keine Silbe. Nicht ein Wort. Wir haben Anweisung, der Regierung nicht in den Rücken zu fallen. Wenn wir dagegen schreiben, schaden wir uns, wenn wir schweigen, nützen wir der Regierung." ebenfalls aus dem dritten Kapitel (Seite 31 meines Buches). Die Sätze sind die Antwort des Redakteurs auf die Anspielung der evtl. negativen Beeinflussung der öffentl. Meinung zur Rede des Reichskanzlers, welche gerade in der Redaktion eingetroffen ist.

Eine zynische Antwort Fabians in einer Diskussion mit seinem Freund Labude:
"Ein Glück ist das. Stell dir vor, unsere fünf Millionen Arbeitslosen begnügten sich nicht mit dem Anspruch auf Unterstützung. Stell dir vor, sie wären ehrgeizig!" aus dem fünften Kapitel(in meinem Buch Seite 55).

Im Vorwort erläutert Kästner noch, daß sein Buch als Satire zu verstehen ist (meiner pers. Meinung nach mit einem überdurchschnittlichen Anteil an Wahrheiten im Kern). Und leider wird dieses Buch auch nicht älter, als ob die Menschheit unfähig zur Weiterentwicklung der ihrer gesellschaftlichen Situation ist: "Wir werden nicht daran zugrunde gehen, daß einige Zeitgenossen besonders niederträchtig sind, und nicht daran, daß andere besonders dämlich sind. Und nicht daran, daß einige von diesen und jenen mit einigen von denen identisch sind, die den Globus verwalten. Wir gehen an der seelischen Bequemlichkeit aller Beteiligten zugrunde. Wir wollen, daß es sich ändert, aber wir wollen nicht, daß wir uns ändern. >Wozu sind die andern da?< denkt jeder und wiegt sich im Schaukelstuhl." aus dem Dritten Kapitel (Seite 37 meines Buches).

Mein Buch ist übrigens das obige verlinkte des dtv-Verlages:
Erich Kästner, "Fabian Die Geschichte eines Moralisten", 24. Auflage Oktober 2008 der Deutschen Taschenbuch Verlags GmbH & Co. KG, München, ISBN 978-3-423-11006-8. Man möge mir bitte meine Faulheit zur korrekten Zitierung verzeihen.

Vielleicht hat ja noch jmd Lust auf den Genuß dieses Buches bekommen. Persönlich werde ich leider noch einige Tage benötigen bevor ich es verleihen kann.

Einen guten Rutsch ins neue Jahr (nach besinnlicher Weinachtszeit) wünscht der Tob.